Ausgangslage
Die Stadt Baden verdankt ihren Namen den Thermalquellen, welche schon früh Menschen angezogen haben und wesentlich zur frühen Besiedlung der Klus am westlichen Ende der Lägern geführt haben dürften. Bis ins 19. Jh. blühten Baden und Ennetbaden als bedeutende Kurorte. Das Thermalwasser war heiss umkämpft, da jedes Hotel seine eigenen Bäder damit speisen wollte. Im Laufe des 20. Jh. nahm die Bedeutung der Bäderkultur ab. Die altehrwürdigen Hotels Ochsen, Bären und Verenahof schlossen und im Jahr 2012 ging auch das Thermalhallenschwimmbad zu. Es gab zwar bereits seit längerem Neubauprojekte von denen jedoch nie eines zur Ausführung gelangte. Das neuste Projekt des Tessiner Architekten Mario Botta sieht den Bau des neuen Thermalbades mit angrenzendem Ärzte- und Wohnhaus und den Umbau der Hotels Ochsen, Bären und Verenahof vor.

Hydrogeologische Übersicht
Das Limmattal durchbricht bei Baden die Lägernantiklinale in einem klusförmigen Einschnitt. Im Antiklinalkern wo als älteste Schichten die Keupermergel angeschnitten wurden, tritt artesisch gespanntes Thermalwasser an die Oberfläche bzw. in die Limmat und die Lockergesteinsbedeckung über. In Baden und Ennetbaden sind heute 20 solche Thermalwasseraufstösse gefasst. 18 Quellen liefern gesamthaft 570 bis 950 l/min durchschnittlich 47° C heisses Wasser. Das Thermalwasser zweier Quellen ist deutlich kühler, weshalb sie als kalte Quellen bezeichnet werden. Das Thermalwasser ist stark mineralisiert und führt zudem Gase.
Als Thermalwasserleiter wirkt der Obere Muschelkalk. Das darin zirkulierende Thermalwasser steht unter Druck und steigt dadurch selbständig auf und zwar dort, wo über dem thermalwasserführenden Muschelkalk der generell schlecht durchlässige Deckel aus Keupermergeln Löcher aufweist. Die durchlässigen Stellen entstanden durch Gipslösung (Gipskarst) und durch Brüche im Fels. Die Quellwasseraustritte sind deshalb nicht beliebig angeordnet, sondern längs linearen Bruchstrukturen (tektonische Störungen) aufgereiht (Abb.1).

Abb1
Abb. 1: Situation mit Lage der Thermalwasserfassungen und Verlauf tektonischer Störungen (Die Adlerquelle existiert nicht mehr)

 

Thermenschutz
In der ersten Hälfte des 19. Jh. begannen verschiedene Hotel- und Quellenbesitzer auf ihren Grundstücken nach neuen Quellwasseraufstössen zu graben und zu bohren, bzw. die bestehenden Fassungen zu vertiefen. Die neue Thermalwassererschliessung ging jedoch stets zu Lasten anderer Quellenbesitzer, was zu endlosen Streitigkeiten führte. Im Jahr 1844 schritt der Staat ein und schaffte gesetzliche Grundlagen, welche das Erschliessen neuer Quellen sowie Veränderungen an bestehenden Quellfassungen verbietet. Gemäss dem noch heute gültigen Dekret des Regierungsrats des Kantons Aargau von 1869 dürfen im Bäderquartier von Baden und Ennetbaden keine Tiefbauarbeiten ausgeführt werden, durch welche Thermalwasseraustritte geschaffen werden könnten. Für Tiefbauarbeiten braucht es eine Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde, welche nur erteilt wird, wenn vorgängige hydrogeologische Untersuchungen und ein Thermenüberwachungskonzept vorliegen.

 

Untersuchungen im Rahmen der Neubauprojekte
Porenluftmessungen
Bereits im Jahr 1989 waren für frühere Bauprojekte hydrogeologische Voruntersuchungen durchgeführt worden. Dabei wurde der Untergrund mit Porenluftmessungen nach möglichen unter­irdi­schen Thermalwasseraufstössen abgesucht. Dazu wurde in einem dichten Raster eine Lanze rund 1 m tief in den Untergrund gerammt. Über die Lanzenspitze wurden Porenluftproben entnommen und bezüglich den mit dem Thermalwasser aufstossenden Gasen analysiert. Die Untersuchungen ergaben insbesondere für CO2, H2, CH4 und das Verhältnis N2/O2 stellenweise deutlich erhöhte Werte.
Diese konzentrierten sich auf einen NNE-SSW-verlaufenden Gebietsstreifen, der parallel zu den ebenfalls linear angeordneten Thermalquellen in den Hotels Bären und Ochsen, ca. 20 m weiter westlich verläuft. Hier ist im Untergrund vermutlich eine weitere tektonische Störungszone vorhanden, längs welcher Quellgase aufsteigen und längs welcher ebenfalls mit Thermalwasseraufstössen gerechnet werden muss.
Sondierbohrungen
Für die Bau­grund­unter­su­chungen durften nur vergleichsweise untiefe Sondier­bohrungen ausgeführt werden, damit die thermalwasserstauenden Keuperschichten nicht perforiert wurden und so das Risiko neue Thermalwasseraufstösse zu schaffen, klein gehalten werden konnte. Die im Limmatknie, d.h. auf der untersten Aue auf Badener Gebiet abgeteuften Bohrungen zeigten alle einen ähnlichen Aufbau des Untergrundes: Bis in die Tiefe von 4 m u.T. wurden künstlich abgelagerte Schichten angetroffen, welche bis in die Römerzeit zurückgehende Baurestmassen enthielten. Darunter folgte stellenweise siltiger Ton mit wenig Kies und Steinen. Diese Schicht wurde als Moränenmaterial interpretiert. In rund 5 m Tiefe trafen die Sondier­bohrungen auf stark verwitterte Mergel des Keupers.
Archäologische Grabungen
Im Rahmen des geplanten neuen Thermalbades Baden wurden im Limmatknie In den Jahren 2009 bis 2012 archäologische Grabungen durchgeführt. Dabei wurden die Zeugnisse früherer Bautätigkeiten Schicht für Schicht sorgfältig abgetragen und durch die Kantonsarchäologie dokumentiert. Zuunterst kamen Reste römischer Thermalanlagen zum Vorschein, welche schwere Schäden zeigten. Obwohl die Römer ihre Bauten direkt auf dem Keuperfels fundiert hatten, war es zu starken Setzungen und Einbrüchen gekommen (Abb. 2).

Abb2
Abb. 2: Eingebrochene Bodenplatte einer römischen Baute.

Geophysikalische Untersuchungen
Mit verschiedenen geophysikalischen Messmethoden wie Georadar, Seismik und Geoelektrik wurde versucht die Gründe für die Setzungsschäden an den römischen Bauten abzuklären bevor die Archäologie ihre Grabung fortsetzte. Georadar ergab keine Erkenntnisse, da die Eindringtiefe der elektromagnetischen Wellen zu klein war, was auf stark tonigen Schichten direkt unter den römischen Bodenplatten (Terrazzoböden) zurückzuführen war. Die hochauflösende Seismik half auch nicht weiter, da sie chaotische, nicht interpretierbare Signale ergab. Erfolgreich war dagegen die geoelektrische Tomographie. Diese ergab, dass die römischen Bauten und somit auch das neu geplante Wohn- und Ärztehaus auf einer tektonischen Störung liegen, längs welcher stark mineralisiertes Thermalwasser aufstösst. Dies hatte zur Folge, dass bei den weiteren Grabarbeiten äusserste Vorsicht geboten war, da gemäss kantonalem Dekret keine neuen Thermalwasseraufstösse geschaffen werden durften.

 

Neue Erkenntnisse

Die Römer hatten im Limmatknie von Baden ihre Bauten auf der tiefsten Flussaue direkt auf dem Keuperfels fundiert. Vermutlich hatten sie hier auch Thermalwasseraufstösse gefasst und in Bäder geleitet. Nach dem Abtrag der untersten Bodenplatte zeigte sich, dass der Keuperfels längs eines E-W-streichenden Streifens grabenförmig eingebrochen war, was zum Versturz der Bodenplatten führte (Abb. 3).
Längs dieser tektonischen Störungszone sind die Schichten stark deformiert und verstellt. An verschiedenen Stellen wurde in der Störzone massive Gipsansammlungen angetroffen, welche Lösungserscheinungen zeigten (Abb. 4). An solchen Stellen waren auch Thermalwasseraufstösse zu verzeichnen. Gipslösung führte zu dolinenartigen Einbrüchen und Senkungen. Die Römer haben mit einem vermutlich speziell hergestellten Ton-Kies-Gemisch Wasserzirkulationen abdichteten. Solche Abdichtungen wurden einerseits in Spalten aber auch unter und zwischen unterschiedlichen Generationen von Bodenplatten eingebracht. Diese künstlich eingebrachten Abdichtungen waren in den Sondierbohrungen irrtümlicherweise als Moränenmaterial interpretiert worden.
Trotz massiven Baumassnahmen wie das Rammen eines dichten Rasters von Holzpfählen und Überbrückungen der Senkungsbereiche mit schweren Holzbohlen gelang es den römischen Baumeistern nicht, dem schwierigen Baugrund Herr zu werden. Die Bauten im Limmatknie wurden deshalb mit der Zeit aufgegeben.

Abb3
Abb. 3: Grabenförmiger Einbruch längs einer Störungszone

Abb4
Abb. 4: Gips mit Lösungserscheinungen in der Störungszone

Die Erkenntnisse zur Ursache der Schäden an den römischen Bauten und die von den damaligen Baumeistern getroffenen Massnahmen beeinflussten auch die aktuelle Planung. So sahen sich die Bauingenieure durch die archäologischen und geologischen Erkenntnisse veranlasst, die Fundamentierung der geplanten Neubauten grundsätzlich zu überarbeiten. Aus Gründen des Thermenschutzes sind auf dem Projektareal keinerlei tief reichende Bauhilfsmassnahmen wie Pfähle, Jetting, Injektionen etc. möglich. Basierend auf dieser einschneidenden Randbedingung wurde in Zusammenarbeit zwischen Geologen und Bauingenieuren ein spezielles Fundationskonzept entwickelt, welches unter dem geplanten Untergeschoss ein vollflächiges steifes Abfanggeschoss vorsieht (Abb. 5). Dieses dient zur Überbrückung von Störungszonen und Einsturztrichtern und garantiert möglichst gleichmässig verteilte Bodenpressungen.

Abb5
Abb. 5: Querprofil zur Störungszone mit Fundation des Neubauprojekts.

Thermenüberwachung

In Würdigung des gesetzlichen Schutzes der Thermen von Baden und Ennetbaden sind bei baulichen Eingriffen in den Untergrund besondere Auflagen zu beachten. Die in den Thermen-Schutzbereichen geltenden Auflagen sind im «Kantonalen Nutzungsplan für den Schutz der Thermalquellen in Baden und Ennetbaden» vom 14.8.2015 beschrieben. In einem speziell für die Bauprojekte im Bäderquartier ausgearbeiteten Thermenüberwachungskonzept wurden für die bevorstehende Bauphase in Zusammenarbeit mit der zuständigen kantonalen Behörde Interventionswerte definiert und Massnahmen bei deren Überschreitung festgelegt.

Autor
Jürg Stäuble, Dr. sc. nat. ETH
Geologisches Büro Dr. Heinrich Jäckli AG
Kronengasse 39
5400 Baden
staeuble@jaeckli.ch