Franz, ich zitiere Stiftungsratspräsidentin Corinne Fischer im Beitrag aus der Luzerner Zeitung vom 15 Juli 2021 “Der Gletschergarten hat sich neu erfunden”. Und Sabine von Fischer schrieb in der NZZ vom 24.07. 2021 (NZZ Der Gletschergarten lockt neuerdings mit schiefen Gängen), dass die Beteiligten des Felsenwelt-Projekts dich als Spiritus Rector ansehen. Dies auch Dank deinem grossen Engagement, denn von dir stammt die Idee für die neue Attraktion: ein Stollen, der die Besucher durch die Erdgeschichte führt. Als Luzerner Geologe ist der Gletschergarten auch eine Herzensangelegenheit.
Wie bist du zur Idee für den neuen Stollen gekommen?
An meiner ersten Stiftungsrats-Sitzung im April 2010 wurde über vier vorliegende Vorprojekte diskutiert, um das in die Jahre gekommene und unter Besucherschwund leidende Museum wieder attraktiver zu machen. Ein paar Tage später schaute ich mir mit Direktor Andreas Burri das Areal genauer an und sah, dass es im nicht zur Sandsteingewinnung abgebauten Teil des Grundstückes ausreichend Raum für eine unterirdische Erweiterung des Gletschergartens gäbe. Zugegebenermassen nicht eine besonders originelle Idee für einen Geologen. Auch setzte sich zu dieser Zeit die EGK und swisstopo intensiv für eine nachhaltige Nutzung des Untergrundes ein. Neben anderen Themen wie Abfallentsorgung und Energiegewinnung wurden die Bedingungen für unterirdische Industriebauten im Siedlungsraum behandelt. Eine unterirdische Lösung des Platzproblems lag deshalb sehr nahe.
Die erste und grösste von vielen folgenden Herausforderungen auf dem Weg von Idee zur Realisierung war es dann, den Stiftungsrat für die Idee zu begeistern und ihn dazu zu verführen, das Projekt FELS weiter zu verfolgen resp. einen neuen Planungskredit zu genehmigen. Mit zwölf Folien zum Thema «Staunen und Erleben im Untergrund» gelang dies überraschend gut.
Was sind die Besonderheiten des Sandsteins im Gletschergarten und wie fügt sich der Stollen in die Formation ein?
Ich bin nicht berufen, hier auf Sedimentologie, Paläogeographie oder Fossilinhalt der Luzerner-Formation (OMM) einzugehen; da ist Dr. Beat Keller der kompetenteste Wissensträger.
In Hinblick auf das Projekt Fels aber zeigt sich das Wichtigste gut im Aufschluss des Löwendenkmals. Die Schichtung fällt mit etwa 50 Grad gegen NNW ein, die prominente Klüftung verläuft senkrecht dazu und im oberen Bereich des ehemaligen Steinbruchs gibt es oberflächenparallele postglaziale Entlastungsklüfte. Das hinter dem Löwen in einem alten Stollen gefasste Bergwasser tritt aus zwei Fenstern unter Bildung von Kalktuff an die Oberfläche aus. Bei günstiger Lage von Aufschlüssen sind im näheren Umfeld auf den Schichtflächen häufig Rippelmarken zu sehen. Beim Sprengaushub für Untergeschosse von Neubauten löst sich der kompakte Sandstein präferenziell entweder entlang der Klüftung oder noch häufiger entlang von feinen schichtparallelen Tonlagen mit der Folge, dass schöne grosse Platten mit Rippelmarken zum Vorschein kommen.
Bei der Planung des Besucherstollens war es wichtig, die natürlich im Felskörper vorhandenen Diskontinuitätsflächen, die Schichtung und die Klüftung, zu nutzen. Durch den gewählten schonenden Sprengvortrieb, einem entsprechendes Sprengschema, treibenden Ladungen und professionellen Felsbauarbeiten ergab sich die schiefe verwinkelte Geometrie des Felsen-Labyrinths. Auf den liegenden Schichtflächen kann der 20 Millionen Jahre alte Meeresboden gestreichelt werden, versetzt man sich in die Zeit der Sedimentation entspricht die Sicht vom Stollen aus auf die Negativformen der Rippel im Hangenden einer Perspektive vom Erdinnern auf die Unterfläche des damaligen Meeresbodens: die Sandwurmperspektive.

Gab es etwas Unerwartetes während dem (Um-) Bau?
Ja. Nach einem Abschlag am 2. April 2019 zeigte sich auf einer Schichtfläche im First eine Pyrit-Linse mit Kohle im Zentrum, und im Stollen und Schacht gab es noch einige weitere (s. Foto). Das dem Luft-Sauerstoff ausgesetzte Eisensulfid oxydiert nun zu Schwefelsäure und Goethit. Was hier im Stollen zur farblichen Bereicherung des grauen Steins beiträgt und umweltverträglich ist: «Acid Mine Drainage» im Kleinstformat. Erinnert mich bei jeder Begehung an das Sanierungsprojekt nach dem Grubenunglück (1998) der Blei- und Zinkmine von Los Frailes in Andalusien. Der Pyrit enthält auch etwas Kupfer, Arsen und Spuren von Silber, jedoch kein Uran, was die Messungen von Heinz Surbeck bestätigten (U: 5ppm). Im XRF-Spektrum der Kohle fand Heinz bei 9.85 keV einen seltenen Peak: Germanium, 380 ppm, den höchsten je gemessene Ge-Wert von Proben aus der Schweiz.

Nicht erwartet wurden auch die Rutschharnische. Sie verlaufen schichtparallel und werden bei Führungen als Manifestation der immensen Kraft der gebirgsbildenden Prozesse inszeniert. Beim Vortrieb wurde ein 30 m2 grosser Rutschharnisch aufgeschlossen und dient als Projektionsfläche für Tiere der Eiszeit.
Den zweiten Teil des Interviews könnt Ihr in unserem Newsletter im Juli geniessen.
Das Interview führte: Monica Vogel